Augsburger Philharmoniker, Christian Segmehl, 13.05.2022

Augsburger Philharmoniker mit Christian Segmehl in der Waldorfschule

Beim 6. Sinfoniekonzert der Augsburger Philharmoniker machte der Saxofonist Christian Segmehl das als deutsche Erstaufführung zu Gehör gebrachte „Concerto pur saxophone et orchestre“ von Guillaume Connesson zum Erlebnis. Ivan Demidov dirigierte.

Christian Segmehl ist gleichzeitig Gründer und Leiter der Allgäukonzerte und mit dem Kulturamt der Stadt Wangen eng verbunden. So kam dieses Konzert, das ohne Übertreibung als etwas ganz Besonderes bezeichnet werden darf, zustande. Im Vorfeld verwies der in Leutkirch ansässige Saxofonist, der weit über das Allgäu hinaus gefragt ist, auf die Magie der Musik und sagte: „Musik bewegt die Menschen, Musik heilt, ist Friede, Schönheit und Liebe.“

Dass Musik ebenso unterschiedliche Facetten in sich vereint, ohne in einen gegenseitigen Wettkampf einzusteigen, das wurde am Freitagabend im Saal der Waldorfschule deutlich. Vertreter des Jazz kamen hier ebenso zu ihrem Recht wie die Freunde des „King of Klassik“, Ludwig van Beethoven. Wenngleich in der dazwischenliegenden Pause häufig zu hören war, dass man sich bei aller Anerkennung für die großartige Leistung der Instrumentalisten im ersten Teil nun doch auf Beethovens Fünfte freuen würde.

Zurück zum Anfang. George Gershwin nannte seine Tondichtung „An American in Paris“ nicht von ungefähr ein „rhapsodisches Ballett“. Wer von den Zuhörern das gleichnamige Filmmusical des Regisseurs Vincente Minnelli aus dem Jahr 1951 gesehen hat, wird sich wieder erinnern: Jerry Mulligan, ein amerikanischer Kriegsveteran hat sich in Paris verliebt und versucht dort, als Maler Karriere zu machen.

Die Musik nimmt die Stimmung der Stadt im Ambiente der späten 1920er-Jahre auf. Da platzen laut und frech Autohupen ins Orchestergeschehen, Ragtime-, Blues- und Charleston-Elemente wechseln sich gegenseitig ab. Ja, und dann erscheinen vor dem geistigen Auge Gene Kelly als Jerry und Leslie Caron als Lise, die so wundervoll tanzen, dass man sich von diesem Bild kaum lösen kann. Mehr noch: man tut es ihnen gleich.

Komponist Guillaume Connesson schrieb vor sieben Jahren sein Stück „A Kind of Trane“. Christian Segmehl, der nach seinem Musikstudium in München und Amsterdam unter anderem den „Echo-Klassik“ erhielt, machte das „Konzert für Saxofon und Orchester“ zu einem wahren Erlebnis. Sein Spiel war in jeder Hinsicht ein Ohrenschmaus: In allen Lagen technisch souverän, hinsichtlich Tempo, Phrasierung und Klangbalance begeisternd. Was vor allem auch durch den Wechsel von Tenor- zu Altsaxofon zutage trat.

Nach dieser gelungenen Homage an die Jazzlegende John Coltrane wurde im zweiten Teil Ludwig van Beethoven und wohl einem seiner berühmtesten Werke gehuldigt. „Ta-ta-ta-taaa“ – wer kennt sie nicht, die markanten Anfangstöne aus der 5. Sinfonie des Meisters? Wenn man seinem Sekretär Glauben schenken durfte, dann war es das Schicksal, das mit diesen mahnenden Tönen „an die Pforte klopft“. War es vielleicht sogar politisch gemeint? Und damit ein kämpferisches Statement gegen Napoleons Machthungrigkeit und für die eigentlichen Werte der französischen Revolution?

Wie auch immer. Die „Schicksalssinfonie“, wie die Fünfte genannt wird, beinhaltet mit den drei aufeinanderfolgenden Achtelnoten und der anschließenden halben Note – um eine große Terz tiefer – das wohl einprägsamste Motiv der klassischen Musik. Fast qualvoll und unerbittlich zieht sich dieses „Klopfen“ in verschiedenen Ausprägungen durch die Symphonie.

Das Orchester mit seinem Dirigenten Ivan Demidov, der stets im Kontakt mit seinen Musikern war, wusste das Ringen um die Existenz, das Ankämpfen gegen jede Form von Unterdrückung musikalisch hervorragend umzusetzen. Nachdem sich das versöhnliche Ende mehrmals angekündigt hatte, zogen immer wieder dunkle Wolken auf. Doch dann brach sich der Jubel seine Bahn und das Schicksal endete in einem Triumphzug. Verglichen mit dem Applaus der Gäste im Saal, der nicht enden wollte.

Vera Stiller, Schwäbische Zeitung Wangen, 17. Mai 2022