So schön klingen Harfe und Streicher – Städteorchester erfreut mit selten gehörten Werken – Stargast Sabrina von Lüdinghausen
Lange ist der letzte Auftritt des Städteorchesters Württembergisches Allgäu her: 29. Dezember 2019. Corona hat Kultur und Musik verhindert, mit Nachwirkungen bis heute. Leiter und Dirigent Marcus Hartmann hat bei seiner Planung auf Bläser verzichten müssen, so performt ein 27-köpfiges, reines Streichorchester. Das hat auch seinen Reiz, zumal selten aufgeführte Werke im Programm sind.
Nette Eröffnung ist die „Mannheimer Sinfonie in G“ von Johann Stamitz (1717 bis 1757). Gefällig, dabei nicht ohne Liebreiz, besonders das Larghetto. Mehr Tiefgang bietet die „Capriol Suite“ des Briten Peter Warlock (1894 bis 1930). Warlock, eigentlich Philip Arnold Heseltine, hat sechs Renaissance-Tänze aus Frankreich packend für Streichorchester instrumentiert. Pavane, Pieds-En-l Áir und andere. Volltönend, das Städteorchester mit Schmelz, Chapeau. Auch wenn nicht alle Pizzicati – also die gezupften Töne – hundertprozentig sauber sitzen. Das durchaus überschaubare Publikum ist angetan, applaudiert kräftig.
Stargast an diesem Abend ist die Harfenistin Sabrina von Lüdinghausen. Als Solistin konzertierte sie mit namhaften Orchestern, spielte außerhalb der klassischen Musik auch für Sting. Auf dem Programm in Leutkirch steht „Danse Sacree et Danse profane für Harfe und Streichorchester“ von Claude Debussy. Einst eine Auftragsarbeit für die Klavier- und Harfenbaufirma Pleyel in Paris. Um die Spielmöglichkeiten auf der „modernen chromatischen Harfe“ zu demonstrieren. Das tut die Rheinländerin mit Bravour. Und barfuß. Zarte Klänge, hingetupfte Farben, kleine Attacken. Das Orchester sensibel, dann leicht wogend, festlich, mit gebotener Zurückhaltung. Schön. Die Harfenistin bedankt sich für den reichen Beifall mit einem virtuosem Solostück.
Der früh verstorbene Russe Vasily Kalinninkov (1866 bis 1901) war seinerzeit vom Publikum geschätzt, wurde dann vergessen und erst Mitte des 20. Jahrhundert wiederentdeckt. Völlig zu Recht – das Andantino aus der „Serenade für Streichorchester“ ist apart, schwelgerisch-schwärmend klingt in hohen Tönen aus. Wunderschön.
William Herrschel (1739 bis 1822) war Komponist, Mathematiker, vor allem aber hoch geehrter Astronom. Seine „Sinfonie Nr. 8“ ist dynamisch, munter, das Andante wirkt allerdings arg konstruiert. Umso prächtiger das Presto, die Streicherinnen und Streicher richtig spielfreudig.
Viel Beifall, Dirigent Marcus Hartmann strahlt, junge Frauen überreichen Blumen. Als Zugabe ein Walzer, „Hoffnungsstrahlen“. Komponiert hat ihn Joseph Lanner, Freund und Konkurrent von Johann Strauß Vater. Ein reizvolles Werk, etwas brav intoniert, die Musikerinnen und Musiker hätten durchaus ein Glaserl Heurigen vor dem Spiel vertragen. Nochmals viel Applaus, darum als zweites encore „El Choco“. Ein beschwingter Ausklang.
Bernd Guido Weber, Schwäbische Zeitung Wangen, 4. Mai 2022