Mit Bauch, Flöte und Flügel durch Wien. Koch, Autor und Musiker Vincent Klink legt gemeinsam mit Patrick Bebelaar das Wesen des Wieners dar.
Im Rahmen der 37. Baden-Württembergischen Literaturtage lockte ein ungewöhnliches Duo in den Festsaal der Waldorfschule in Wangen: Vincent Klink, im „Erstberuf“ Meisterkoch aus Stuttgart, dazu Autor, Musiker, bildender Künstler und ideenreicher Geist, brachte sein jüngstes Buch „Ein Bauch lustwandelt durch Wien“ mit. Er las ein bisschen, erzählte aber viel mehr, griff zwischendurch zur Flöte und ließ sich von seinem feinsinnig kreativen Klavierpartner Patrick Bebelaar in poetischen Jazzballaden tragen. Eingeladen vom Verein Kultrast und vorgestellt von dessen Vorsitzenden Franz Osterkorn, präsentierten die beiden eine „Wienerische Melange“ und kurzweilige Reise durch die österreichische Kulturgeschichte.
Der „lustwandelnde Bauch“, dezent verborgen unter einem schwarzen Oberteil und einem weiten Sakko, wandert durch Wien, legt das Wesen des Wieners als Mischung von Kultur, Ideenreichtum und Widerspruchsgeist dar und portraitiert eine Stadt, die seit Jahren immer wieder für ihren Lebenswert ausgezeichnet wird.
Vincent Klink sieht sich in der Tradition eines arabischen Erzählers, die Zutaten mischt er wie in der Küche aus einem Fundus an historischen Fakten, geistreichen Assoziationen und Zitaten. Über 100 Jahre nach dem Ende des Kaiserreichs seien die Habsburger immer noch existent. Kaiser Franz-Josef, ein „herzensguter Mensch“ und seine Gattin Sissi, die bei Jagden an vorderster Front im Damensattel ritt und auf Korfu bei Wanderungen im Sturmschritt griechisch lernte, bringt Klink seinem Publikum so empathisch nahe, als hätte er sie persönlich gekannt.
Aber auch das Wiener Vielvölkergemisch, Basis für die böhmischen und tschechischen Wurzeln der k&k-Küche – „alles was a bissl kochen oder bedienen konnte, ist nach Wien gekommen“ – hat er bei seinen Reisen nach Österreich liebgewonnen. „Die geruhsamste Großstadt, die ich kenne“ sei auch durch ihre Sozialleistungen, die Gemeindebauten, bezahlbare Mieten, den halben Steuersatz für Gaststätten und einen Kulturetat, dreimal so hoch wie in Deutschland, geprägt.
„A bissle was übers Essen“ erzählt er dann doch noch, lässt das Publikum teilhaben an einem Abend im Gasthaus Wolf mit interessanten Tischgenossen, einem mehrgängigen Menü, sieben Flaschen „gemischtem Satz“, Marillenknödeln aus Kartoffelteig und „zum Dessert“ um Mitternacht einen frischen Schweinsbraten im eigenen Fleischsaft – wohl bekomm’s!
Nicht mit Wiener Walzern und Polkas, sondern mit Jazz-Balladen, die zu dieser „Gemengelage des Genießens“ gut dazu passen, untermalen Vincent Klink und Patrick Bebelaar ihr Programm: Der renommierte Jazzpianist schafft mit der linken Hand die Basis und den Grundpuls, lässt die rechte Hand frei fliegen. In seinen Soli zeigt er Charakter, manchmal dämpft er die Basssaiten des Flügels, als hätte er einen Kontrabass zur Seite, als einfühlsamer Partner lässt er aber auch den Melodien der Flöte ihren Raum.
Einmal darf der Pianist mit der roten Brille und den roten Schuhen zeigen, „was er so drauf hat“ und lässt sich hineinfallen in einen mitreißenden Tango – da kommen dann auch Handflächen und Unterarme zum Einsatz. Zuletzt greift Vincent Klink noch zur Mundharmonika – „die han i immer im Audo, wenn mei Frau beim Alnadura a Sächskornbrödle kauft“ – und stimmt mit Patrick Bebelaar einen Blues an. Ach ja, kochen kann er auch noch, der vielseitige Lebenskünstler.
Katharina von Glasenapp, Schwäbische Zeitung Wangen, 20.10.2020