Oratorienchor, 22.10.2022

Oratorienchor überzeugt mit Rossinis „Petite Messe Solennelle“

„Lieber Gott – voila, nun ist diese arme kleine Messe beendet. Ist es wirklich heilige Musik (musique sacree), die ich gemacht habe, oder ist es vermaledeite Musik, (sacree musique)?“ Mit diesem humorvollen Wortspiel kommentierte Gioacchino Rossini seine kleine („petite“) festliche Messe („Messe solennelle“), die der Wangener Oratorienchor am Samstagabend im Festsaal der Waldorfschule Wangen zur Aufführung brachte.

Für die Zuhörer dürfte die Antwort auf die Eingangsfrage Rossinis eindeutig gewesen sein: Es war wirklich heilige Musik. Paradiesisch schön, mit zauberhaften Klavier- und Akkordeonklängen, großartigen Solisten, und einem Oratorienchor mit einer tief bewegenden melodischen Weite und Ausdruckskraft. Es war eine andere Art von Kirchenmusik, die Dirigent und Chorleiter Friedrich-Wilhelm Möller mit seinen Sängern und Sängerinnen einstudiert hatte: Ernst und andächtig und zugleich beschwingt und heiter.

Gioacchino Rossini, der diese Messe im Jahre 1863 im Alter von 71 Jahren als Gelegenheitswerk für die Einweihung einer Privatkapelle komponierte, nannte die „Messe solennelle“ klein („petit“), doch angesichts einer Aufführungsdauer von eineinhalb Stunden übertrifft dieses Werk viele andere berühmte große Messen. Klein ist die Messe in dem Sinne, dass sie ganz auf Orchesterbegleitung verzichtet. Nur ein Klavier (Miriam Heuberger) und ein Akkordeon (Vladimir Bussovikov) begleiteten den Chor und die vier Solisten (Edith Lorans-Sopran; Nina Maria Edelmann – Mezzosopran; Timo Rößner – Tenor; Reuben Willcox-Bariton). So passte diese Messe gut in einen Konzertsaal.

Friedrich-Wilhelm Möller wies in seiner Begrüßung schmunzelnd darauf hin, dass Rossini seine Alterskompositionen als „Alterssünden“ bezeichnete. Wenn dem so wäre, dann sind es süße Sünden, voller Dissonanzen und mit Zucker: „Ich habe mit Dissonanzen nicht gespart, aber ich habe auch etwas Zucker verwendet.“ So Rossini. Im „Kyrie eleison“, im „Agnus Dei“ und im „Credo“ kommt der Leidensweg Jesu Christi tief bewegend und emotional zum Ausdruck. Flehend und klagend bitten die Sopranistin Nina Maria Edelmann und der Chor im Schlussteil um Frieden, den diese Welt so notwendig braucht: „Donna nobis pacem“.

Im Offertorium („Prelude religieux“) entführen Klavier und Akkordeon (solo) die Zuhörer in zauberhaft schöne, fast mystische Sphären. Ein geradezu meisterhaftes Highlight in dieser Messe. Die kleine Instrumentalbesetzung verbindet musikalische Eleganz und tiefen Ernst. Und immer hat Rossini in die heiligen Messtexte Opernklänge eingebaut, die heiter und fröhlich klingen. In den Doppelfugen des Gloria und des Credo kommt dies besonders virtuos zum Ausdruck.

„Das ist keine Kirchenmusik für euch Deutsche, meine heiligste Musik ist doch nur immer semi seria“, sagte Rossini einst zum österreichischen Musikkritiker Hanslick. Manche kritischen deutschen Stimmen werteten Rossinis Messe als zu opernhaft, zu weltlich, zu sinnlich, zu spielend, zu leicht für den geistlichen Stoff herab. Doch wer am Samstagabend den mitreißenden Klängen und den wundervollen Stimmen und Gesängen von Chor und Solisten lauschen durfte, der durfte mit diesem Gedanken beschwingt nach Hause gehen: „Dies war wirklich heilige Musik.“

Edgar Rohmert, Schwäbische Zeitung Wangen, 26. Oktober 2022