Silvesterkonzert Städteorchester, 31.12.2019


Der Bass als Soloinstrument – das Städteorchester Württembergisches Allgäu begeistert mit einem bunten Programm

Der Kontrabass ist aus einem großen Orchester ja nicht wegzudenken, die tiefen Töne kommen aber in der Regel aus dem Hintergrund. Dabei gibt es durchaus Stücke für einen virtuosen Kontrabasser. Zwei davon hat das Städteorchester Württembergisches Allgäu bei ihrem Jahresschlusskonzert aufgegriffen, am Pult Marcus Hartmann, als Solist sein Sohn Simon. Viel, viel Beifall, drei Zugaben beim Konzert in Leutkirch, dessen Programm auch beim Silvesterkonzert im Waldorfschulfestsaal in Wangen zu bestaunen war.

Nino Rota ist den meisten als Komponist für Filmmusik bekannt, hat etwa 150 bunte Streifen mit Klängen gefüllt. In Zusammenarbeit, Freundschaft zu berühmten Regisseuren: Federico Fellini, Luchino Visconti, Francis Ford Coppola und anderen. Sein klassisches Schaffen wird dabei leicht übersehen. Dabei hat er höchst reizvolle Werke geschaffen – so sein „Divertimento Concertante für Kontrabass und Orchester“. Das beginnt mit einer sensiblen Einleitung, das Städteorchester auch dieses Mal in erstaunlicher Form. Der Bass tritt in Zwiesprache mit Streichern, Bläsern, fein austariert. Samtenes Breitwandkino, bevor der große Part von Simon Hartmann kommt. Frappierende Läufe, vom Flageolet ganz oben bis zum tiefsten Basston. Komplexe Doppelgriffe. So etwas ist selten zu hören, für viele ein Erlebnis.

Begonnen hat das Konzert in der ausverkauften Leutkircher Festhalle mit dem Festmarsch op. 54 von Antonin Dvorak. Ein flottes Stück, mit viel Fanfaren, schwelgerischem Hochlebenlassen. Höfische Bücklinge vor dem österreichischen Kaiserpaar, das diese Komposition an seiner Silbernen Hochzeit serviert bekommen hat.

Klasse zeigt das Orchester bei der wohltuend kurzen Suite „The Magic of Harry Potter“. Darin hat der Komponist John Williams Melodien aus allen acht Harry-Potter-Filmen untergebracht. Nahtlos ineinandergeschlungen.

Klassik darf auch unernst sein, mit kindlichen Späßchen Freude bereiten. Mozart hat das Singspiel „Bastien und Bastienne“ im Alter von zwölf Jahren geschrieben, der profilierte Heiner Miller gibt als Bass-Stimme die Arie des Zauberers Colas. Mit dem Nonsenstext „Diggi, daggi, schury, mury, horum, harum, lirum, larum…“ Ein Stückchen „opera buffa“, Heiner Miller passend im Bauernhemd, mit dick vollgestopftem Wanst. Ein harmloser Spaß, aber bereits mit dem typischen Mozart-Klang. Ein reifer Mozart ist dagegen die Konzertarie für Bass und Kontrabass „per questa bella mano“. Zwiesprache der tiefen Töne, dazu herausfordernde Soli für Simon Hartmann. Klasse, ebenso das Orchester.

Der Komponist Frederic Delius (1963- 1934) ist ziemlich in Vergessenheit geraten, vielleicht nicht ganz ohne Grund. Bei der „Schlittenfahrt“ hört man, natürlich, die Schellen, es geht lautmalerisch durch die winterliche Natur. Ein gefälliges Stück. Aus der Kälte führt Dirigent Marcus Hartmann direkt in die Karibik. Louis Moreau Gottschalk (1829 – 1969) aus New Orleans ist zu seiner Zeit ein gefeierter Pianist gewesen, auch ein Exzentriker, Tannhäuser mit 14 Klavieren. „Night in the Tropic“, zweiter Satz, bringt kreolische Klänge, afroamerikanische Percussion, Samba, vermählt mit europäischer Tonsprache. Das ist jetzt nicht die karibische Lebensfreude pur, eine Melange. Packend, ungewöhnlich. Konzipiert (und in Havanna so aufgeführt) hat Gottschalk diese Tondichtung übrigens für 800 Musiker. Muss nicht sein, ein gut besetztes Orchester kann´s auch.

Der Beifall ist groß, zu Recht. Marcus Hartmann freut sich, die Damen und Herren Instrumentalisten strahlen. Als erste Zugabe erklingt, nein, nicht die Ambosspolka, doch auch ein Stück mit Amboss und silbrigem Gehämmere. Das „Feuerfest“ von Josef Strauss, dem Bruder des berühmten Walzerkönigs. Gut gemacht, das Publikum amüsiert sich. Nochmal Strauss, diesmal Sohn Johann. Seine Schnellpolka „Auf der Jagd“ ist seinerzeit sicher ein Höhepunkt vieler Feste gewesen, erhitzte und hitzige Menschen wirbeln durch den Tanzsaal. Das Städteorchester bringt dies feurig, akzentuiert. Als Finale der „Radetzkymarsch“, Johann Strauß Vater. Alle klatschen mit, rufen danach Bravo, applaudieren begeistert. Da hat das Städteorchester kurz vor dem Jahreswechsel ein buntes Feuerwerk gezündet – in Leutkirch und in Wangen.

Bernd Guido Weber, Schwäbische Zeitung Wangen, 2. Januar 2020